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Übersetzt aus dem Englischen ins Deutsche von Frau Rosi Dickmann aus Hildesheim

Auszug aus dem Kiva,



einer Zeitschrift aus der Gesellschaft für Archäologie und Geschichte von Arizona, Mitgliedsorganisation des Staatsmuseums von Arizona in Tucson, Arizona vom Oktober 1957, Band 23, Nummer 1



Heinrich Ruhen S. J. -Grenzland- Märtyrer v. Roland L. Ives


Einführung


Vor etwas mehr als zwei Jahrhunderten erhob sich ein Teil des Pima- Volkes unter der Führung Luis Oacpicagigua aus Saric in einer blutigen Revolte und versuchte- freilich ohne Erfolg-, alle Spanier aus dem Land der Pimas zu vertreiben. Bevor dieser Aufstand endgültig unterdrückt war, wurden hunderte Spanier getötet und sehr viele mehr verletzt; auch eine unbekannte Zahl von Indianern wurden getötet und verwundet.


Weil die Reise und die Lehrtätigkeit der Missionare die Verschwörungen von Luis behinderten und sein Ansehen als Schamane minderten, wurden sie mit besonderer Verbitterung angegriffen. Im östlichen Land der Pimas konnten alle Jesuiten an sichere Orte fliehen, obwohl zwei von ihnen Jakob Sedelmayr und Juan Nentvig- zwei Tage lang in Tubutama belagert wurden.


Im westlichen Sonora bei Caborca töteten plündernde Pima Gruppen Pater Thomas Tello und verwundeten bei Sonoyta Pater Heinrich Ruhen schwer. Diese zwei späteren Angriffe waren sinnlose Gewaltakte, durch die die aufständischen Pimas keinerlei militärischen Nutzen gewannen und die ihre Nachbarn im westlichen Sonora, die Papagos, für viele Jahrzehnte ihrer geistigen und kuturellen Führung berauben.


Über mehr als anderthalb Jahrhunderte waren die bedeutendsten Dokumente, die sich auf die Pima- Revolte beziehen, zum Großteil unerreichbar und den amerikanischen Historikern unbekannt. Während des zweiten Viertels des 20. Jahrhunderts wurden die herausragenden Dokumente, die sich auf die frühe Geschichte von " Papagueria " beziehen, gefunden, übersetzt und sachkundig kommentiert, was zum größten Teil der Arbeit des jüngeren Herbert E. Bolton und seiner Studenten zuzuschreiben ist. Vergleichbare Studien von gleichwertigem Ansehen sind von Peter M. Dumme, S. J. und anderen für die angrenzende unfruchtbare Provinz Baja in Kalifornien vervollständigt worden.


Ausgehend von diesen breiten Umrissen, angereichert durch dokumentarische Zeugnisse aus Rom und Hildesheim und durch archäologische und volkskundliche Beobachtungen in Mexiko, können wir nun eine Biographie von Heinrich Ruhen S. J. , dem Märtyrer von Sonoyta, zusammenstellen. Dabei ist sicher, dass die Grundzüge der Biographie korrekt, die weniger bedeutungsvollen Punkte schließlich unaufgeklärte sind.


Die Geschichte von Pater Ruhen ist eine ergreifende Erzählung, die der Feder eines Sophokles wert wäre. Ungeachtet seiner Bestimmung zu seiner gewählten Aufgabe, ungeachtet seines bewiesenen Fleißes und seiner Treue im Anblick wachsender Feindseligkeit wurde er das Opfer eines sinnlosen und grundlosen Gewaltakts einer Bande marodierender Fremder und fand schließlich den Tod durch die Hand eines mitleidigen Indianers, dessen Motiv mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Mitleid war.



Geburt und Erziehung


Pater Hienrich Ruhen wurde zur Mitte des Jahres 1718 in dem Ort Borsum in der Nähe Hildesheim in Deutschland geboren. Er war der Sohn des Drechslers Peter Christoph Ruhen und seiner Ehefrau Anna geb. Buschen. Der kleine Heinrich wurde- in Anlehnung an das Kirchenbuch, das sehr große Übereinstimmung mit den Aufzeichnungen im Jesuitenarchiv in Rom aufweist- am 16. Juni 1718 getauft. Nachforschungen in Borsum haben enthüllt, dass der Jesuit Heinrich Ruhen im früheren „Alper'schen Haus“ in Borsum Nr. 102 geboren wurde.


Über Ruhens Erziehung besitzen wir keine detaillierten Aufzeichnungen, aber die wesentlichen Daten seiner erzieherischen Laufbahn weisen auf eine höhere akademische Bildung hin. Er trat am 22. Oktober 1736 im Alter von 18 Jahren dem Kolleg der Novizen in Trier bei und legte zwei Jahre und einen Tag später, am 23. Oktober 1738 seine ersten Gelübde ab. Nachdem er seine philosophischen Studien bereits vor seinem Eintritt in den Orden abgeschlossen hatte, lehrte Ruhen offensichtlich humanistische Fächer im Jesuitenkolleg in Münster von 1738 bis 1745. Dann begann er seine theologischen Studien in Büren in der Diözese Paderborn. Diese nahmen annähernd drei Jahre in Anspruch; er wurde gegen Ende 1748 oder zu Beginn des Jahres 1749 zum Priester geweiht, wobei lediglich die Priesterweihe, nicht aber das genaue Datum im Register von 1748/49 verzeichnet ist.


Kurz nach seiner Priesterweihe begann Ruhen seine lange Reise durch Westeuropa, der erste Abschnitt seiner Reise in die Neue Welt. Eine deutsche Fundstelle erwähnt, dass seine Abreise in der ersten Hälfte des Jahres 1749 lag und dass sein Name im Register der Niederrheim- Provinz von 1749, zu welcher er gehörte, fehlt. Einerseits haben wir auch keinen Grund, nach dem ungefähren Datum der Abreise zu fragen, andererseits haben wir auch kein direktes Zeugnis, es zu bestätigen.



Reise nach Neu- Spanien


Kein Hinweis lässt sich auf Pater Ruhens Reise von Büren in südwestliche Richtung nach Cadiz finden. Als wir wieder von ihm hören, wartete er in Cadiz einige Zeit auf die Überfahren, weil alle Schifffahrten in westliche Richtung wegen der Bedrohung durch maurische Piraten eingestellt worden waren.


Schließlich segelte Ruhen am 15. Juni 1750 auf dem französischen Handelsschiff “Conde“ von Cadiz ab. Aus den Aufzeichnungen seines Mitreisenden, Pater Johann Jokob Baegert, erfahren wir, dass die “Conde“ während der ersten Tage von einer “Kaplansbewachung“ von zwei Kriegsschiffen, jedes mit 28 Kanonen bewaffnet, begleitet wurde.


Diese Seestreitmacht war anscheinend zu viel für die Piraten, denn die “Conde“ kam nach einer Reise ohne Zwischenfälle von nur 72 Tagen am 23. August 1750 in Vera Cruz in Mexiko an. Von Vera Cruz fuhr Ruhen in Begleitung von Baegert und anderen nach Mexiko City weiter, das damals wie heute das politische und kulturelle Zentrum des Landes war. Dort warteten sie einige Monate, bevor sie ihre Marschbefehle und Aufträge erhielten.



Reise nach Sonora


Zusammen mit neun anderen Missionaren einschließlich Pater Baegert verließ Ruhen Mexiko City und reiste nordwärts etappenweise hin zu seinem endgültigen Ziel in Papagueria. Die Reisegesellschaft erreichte Guadalajara am 19. Dezember 1750 und verbrachte anscheinend ihre freien Weihnachtstage dort. Baegert berichtet sehr positiv über Guadalajara, welches er als “die beste Stadt auf der ganzen angstvollen Reise“ von Mexiko City zu seiner Station in San Luis Gonzaga bezeichnete.


Von Guadalajara begab sich die kleine Karawane, die ursprünglich aus zehn Missionaren, zwölf Multi-Treibern und Dienern und einer Anzahl von Packtieren bestand, in nordwestliche Richtung weiter durch Tepic, Rosario, Culiacan und Los Frayles und kam am 9. März 1751 in Yaqui an der Mündung des Yaqui-Flusses südlich von Guaymas in Sonora an.


Pater Baegert erklärte das langsame Vorwärtskommen auf dieser Reise; er beschreibt die Aufenthalte in den verschiedenen auf der Reiseroute gelegenen Städte, wo sie die Gastfreundschaft der Einwohner genossen. Unterwegs bestand das Essen aus “carne seco, frijoles und tortillas“ , welche Baegert als “kleine, aus Mehl hergestellte Pfannkuchen“ beschrieb.


Nach dem 9. März 1751 reiste Pater Ruhen in nordwestliche Richtung durch Sonora, um dem Pater Visitor, Jakob Sedelmayr S. J. in Tubutama Bericht zu erstatten. Auf einen nicht einzeln beschriebenen Teil dieser Reise wurde er von Pater Baegert begleitet, dessen Transportmittel nach Niederkalifornien (ein Kanu) schließlich die Mündung des Yaqui Flusses am 7. Mai 1751 verliesst und ihn zweieinhalb Tage später in Loreto in Baja (Kalifornien) an Land setzt, wo er von einem Geschützsalut der Musketen der örtlichen Garnison begrüßt wurde.



Zuweisungen nach Sonoyta


Im Juni oder Juli 1751 wurde Pater Ruhen nach einem kurzen Aufenthalt in Tubutama nach Sonoyta, der am meisten westlich gelegenen der alten Kino-Mission im Land der Papagos, beordert. Diese Mission wurde 1739 durch Unterstützung des Grafen de Villaquente gegründet. Der Name änderte sich von “San Marcelo Sonoita“ in “San Miguel de Sonoyta“.


An diesem einsamen Platz, geringfügig weniger als eine Meile östlich der momentanen Sonora-Gemeinde von Sonoyta, hatte Kino mit einer Kapelle und einem Wohnhaus 1699 zu arbeiten begonnen und bis 1706 war sie (die Siedlungen) gewachsen, so dass sie eine gekalkte und überdachte Kapelle, ein Wohnhaus, das aus drei Räumen und einer Küche bestand, ausgedehnte Weizenfelder und Viehherden umfasste. Wie wir aus dem Bericht des Marineleutnants, der Pater Sedelmayrs Schutztruppen befehligte, erfahren, standen die Gebäude noch vor weniger als einem Jahr vor Pater Ruhens Zuweisungen. Er berichtet: (auszugsweise) : “22. November 1750- Wir... kamen nach Sonoita... Hier leben ebenfalls viele Indianer, die... den Pater Visitator (Sedelmayr) unterstützten. Hier befindet sich ein schönes Haus, das aus drei Räumen und einer Küche hergerichtet ist. In einem weiteren Gebäude (berichteten die Indianer) pflegte Pater Kino die Messe zu lesen.“


Warscheinlich wurde Pater Ruhen von Pater Sendelmayr oder einem Soldaten auf seiner ersten Reise nach Sonoyta begleitet. Wir haben aber keine Aufzeichnungen von der Reise oder von seiner Arbeit auf dieser Station, obwohl er sicherlich damit beschäftigt war, zusätzlich zu seinem missionarischen Pflichten das naturwissenschaftliche Inventar wiederherzustellen.


Nach zwei Wochen auf diesem einsamen Posten ging Pater Ruhen nach Tubutama und war dort nachweislich am 15. August 1751, weil er an diesem Datum seine feierlichen Profess vor seinem Pater Visitor Jakob Seldelmayr S. J ablegte.


Die Unterschrift unter diesem seltenen Dokumenteindeutig Heinrich Ruhen lässt keinen Zweifel an der korrekten Schreibweise seines Namens.


Zweieinhalb Monate später besuchte Ruhen erneut und zum letzten Mal Tubutama. Zu dieser Zeit legte er die Beichte ab und bemerkte scheinbar im Bewusstsein des aufkommenden Pima-Aufstandes gegenüber seinem Vorgesetzten Jakob Sendelmayr: “Leben sie wohl. Wir werden uns niemals wiedersehen.“ Ruhen behielt auf tragische Weise Recht, denn nur drei Wochen später hatte er die Märtyrerkrone in Sonoyta errungen und Sendelmayr verfehlte das gleiche Schicksal während der Belagerung von Tubtama nur knapp.



Der Märtyrertod des Heinrich Ruhen


-Einführung-


Alle Berichte über den Märtyrertod des Heinrich Ruhen sind letztendlich aus zweiter Hand, denn es existieren keine in der Literatur bekannten Zeugen seiner Ermordung. Interessanterweise befinden sich beinahe alle zeitgenössischen Berichte in einer Übereinstimmung und diese stimmen mit den archäologischen Zeugnissen, die während dieses Jahrhunderts in Sonoyta ausgegraben wurden, überein. Im Gegensatz dazu leidet das volkstümliche Material, während es zwar wahrheitsgetreue Elemente enthält, an falsch gesetzten Dezimalkommata, umgesetzten und unangemessenen Elementen und semantischen Änderungen, die den vielfachen Übertragungen zwischen den Sprachen und ihren begleitenden Gedankenmustern innewohnen.


-Urkundliche Zeugnisse-


Die am ehesten zeitgenössische Darstellung von Pater Ruhens Märtyrertod wurde in den Aufzeichnungen von Pater Ignaz Pfefferkorn S. J. gefunden. Angemessenes Material, das das einer Anzahl von Dokumenten aus dem 18. Jahrhundert zusammengefasst war, ist in Decormes „Großer Geschichte der mexikanischen Jesuiten“ enthalten.


Der Angriff auf die kleine Sonoyta-Station geschah in der Nacht von Sonntag, dem 21. zu Montag, dem 22. November 1751. Als Pater Ruhen im Bett lag, wurden Pfeile durch das Fenster geschossen und verletzten ihn so schwer, dass die Angreifer ihn für tot hielten. Nach Meinung von Pater Pfefferkorn hat er mehr als eine tödliche Wunde erhalten. Wie auch immer; Pfeilwunden sind selten sofort tödlich. Einige Zeit später “sammelte er seine verbliebenen Kräfte und kroch von der Hütte weg, vielleicht in der Absicht, sich irgendwo zu verstecken. Nicht weit von der Hütte erreichte er einen Baum, an dem er niederkniete und dessen Stamm er umklammerte, um sich aufrecht zu halten. So erwartete er sein Ende. Einige Indianer fanden ihn in dieser Stellung bei Tagesanbruch. Einer von ihnen zerschmetterte Pater Ruhens Schädel mit einem Stein, er sank zu Boden und starb in Gottesfurcht. So endete das tugendhafte Leben von Pater Ruhen und so verschwand zur selben Zeit die berechtigte Hoffnung auf eine Bekehrung der Papagos und eine Ausbreitung des Glaubens bis an die entferntesten Grenzen von Sonora.


In dem berühmten „Rudo Ensayo“ stellt der vermutliche Autor, Pater Juan Nentwig, bei einer Betrachtung Sonoytas fest: “Die Stadt wurde durch ihre Einwohner selbst wahrend des Jahres zerstört, in dem sie ihren geistlichen Vater, Heinrich Ruhen töteten, der ein Engel in seinem Lebenswandel und seiner Moral war, wie wir, die ihn kannten, bezeugen können.“


Die Zerstörung von Sonoyta durch seine Einwohner wird ebenfalls durch Pater Ignaz Pfefferkorn S. J. erwähnt, der vielleicht 1756 das große Glück nach sechs Jahren hatte, seiner (Pater Ruhens) noch unbegrabenen Leiche mit ihrem blutüberströmten Schädel ein ehrliches Begräbnis zu gewähren. Pfefferkorn hatte gehofft, die Sonoyta - Mission wieder instand zu setzten, aber eingesehen, dass die Ortsansässigen“ eine solche Aversion gegen das Christentum hegten, dass sie unter keiner Voraussetzung jemals wieder eine Misson unter sich dulden wollten.“


Wegen dieser Feindschaft und einer späteren schlimmen Knappheit an Jesuiten und französischen Missionaren, hatte Sonoyta nie wieder eine ortsansässige Mission. Wie auch immer, in Anlehnung an umfassende dokumentarische Zeugnisse wurden spätere kirchliche Besucher von 1771 bis zur Gegenwart mit Verbindlichkeit, Freundlichkeit, Respekt und sogar Großzügigkeit behandelt.


heinrich.ruhen@gmx.de